Exklusive Liebe – Sicherheit oder Selbstverlust?

Wann genau haben wir angefangen zu glauben, dass Liebe nur dann echt ist, wenn sie exklusiv ist? Wer sagt, dass Nähe an Grenzen gebunden sein muss, damit sie sicher bleibt? 

Exklusive Liebe - Sicherheit oder Selbstverlust?

Wir wachsen mit der Vorstellung auf, dass Treue zum Fundament einer Beziehung gehört und Exklusivität der Beweis dafür ist. 

Ich werfe die These in den Raum, dass Exklusivität gar nichts über die Tiefe einer Liebe aussagt. Sie verrät vielmehr etwas über unsere Angst nicht genug zu sein, ersetzt zu werden oder Kontrolle zu verlieren. 

Immer wieder erlebe ich es, dass Menschen Liebe mit Bedingungen verknüpfen. Dabei ist Liebe ein Gefühl und Gefühle kennen keine Bedingungen. Dennoch sichern wir sie ab, stellen Regeln auf und setzen Grenzen. Warum machen wir es dann? Weil wir nie gelernt haben Unsicherheiten und Ängste zu halten. 

Und an dem Punkt wird es Zeit, dass wir einmal neu über Liebe sprechen müssen. Und ich meine nicht über Treueversprechen oder Besitz. Ich meine über Bewusstsein und darüber was es wirklich heißt, jemanden zu lieben, ohne ihn festzuhalten. 

Was bedeutet exklusive Liebe überhaupt?

Exklusive Liebe bedeutet nach allgemeingültiger Auffassung, dass ein Mensch emotional und sexuell nur mit einem Partner verbunden ist. 

Somit ist diese Art der Liebe in unserer Gesellschaft mit einer monogamen Beziehung gleichzusetzen. Machen wir uns also einmal bewusst, dass monogame Beziehungen sowie exklusive Liebe und alle anderen Beziehungsmodelle gesellschaftlich Konzepte sind und keine menschlichen Wahrheiten. 

Warum Exklusivität für viele Menschen so wichtig ist

Hinter dem Wunsch nach exklusiver Liebe steckt sehr oft eines: Angst. 

Wir haben Angst, den Menschen zu verlieren, den wir lieben. Wir haben Angst allein zu sein. Wir haben Angst, nicht zu reichen und Angst davor, dass wir den Schmerz von Eifersucht oder Unsicherheit nicht aushalten können. Das führt zu Regeln und Einschränkungen.

„Wenn ich dich an Regeln binde, dann muss ich mich nicht mit meiner Angst auseinandersetzen.“

Unser Sicherheitsbedürfnis ist zutiefst menschlich. Wir wollen dazugehören, gesehen werden, gehalten werden und wissen, wo wir hingehören. 

Mit emotionaler Unsicherheit umzugehen haben die meisten von uns nicht gelernt. Deshalb schaffen wir Regeln, die diese Unsicherheit vermeiden sollen. Wir glauben „Wenn du nur mich liebst, dann bin ich sicher.“

Und so romantisch das auch klingen mag, hat es damit nicht viel zu tun. Es ist eigentlich eine Schutzstrategie. 

Aber ich muss dir sagen, dass Exklusivität Kontrolle in einem Bereich vermittelt, den in Wirklichkeit keiner von uns kontrollieren kann: Die Gefühle eines anderen Menschen. Unsere Regeln geben uns das Gefühl, Einfluss zu haben. Wenn die Angst mal zu groß wird, dann halten wir uns an dieser Kontrolle fest, statt an Vertrauen zu wachsen.

Was wir jedoch neu lernen dürfen ist, dass echt Sicherheit dadurch entsteht, dass wir mit unseren eigenen Gefühlen bleiben können; dass wir sie halten können. 

Warum wir Exklusivität mit Liebe verwechseln

Ganz oben auf meiner persönlichen Liste dieser Geschichten: Wer wirklich liebt, der liebt nur einen und entscheidet sich auch für nur eine Person. Als gäbe es immer nur „Entweder, oder“. 

Diese Erzählung ist so tief in uns eingebrannt, dass wir sie selten hinterfragen. Dabei hat sie mit Liebe wenig zu tun. Sie wohnt dem gesellschaftlichen Konzept bei, das Sicherheit verspricht und Freiheit kostet. 

Wie ich schon sagte, ist Exklusivität ein Beziehungsmodell und kein Ausdruck von Liebe. Doch oft wird dieser Rahmen mit der Liebe selbst verwechselt. Obwohl Liebe alles andere als Bedingungen braucht, um echt zu sein. 

Und auch das, was wir Treue nennen, ist nicht immer ein bewusster Akt der Verbundenheit, sondern häufig die Angst davor, was passieren würde, wenn wir unsere Freiheit wirklich leben. 

Wir geraten in einen Kreislauf. Der Selbstwert wird an das Verhalten und die Worte des Partners gekoppelt. Wertvoll fühlen wir uns nur, wenn wir gewählt werden und bedroht hingegen, sobald jemand anderes in den Blick gerät. Daran ist erkennbar, dass unsere Selbstwertprobleme in unserer Beziehung ausgetragen werden. 

Sie zeigen sich dann darin, dass Kontrolle Nähe sichern soll, weil wir nicht gelernt haben, dass Nähe auch ohne Kontrolle (oder gerade dann) bestehen kann. 

Exklusive Liebe darf gewählt sein – aber nicht aus Angst

Exklusive Liebe ist nichts Schlechtes. Sie ist ein Weg, den Menschen wählen können; genau wie Offenheit in der Beziehung. Entscheidend ist jedoch, aus welchem Gefühl heraus diese Wahl getroffen wird. 

Mir geht es nicht darum, die Monogamie abzuwerten. Ich möchte darauf aufmerksam machen, bewusst zu wählen, statt aus Angst zu handeln. 

Eine exklusive Liebe kann durchaus frei und gesund sein, wenn sie aus innerer Sicherheit und echter Liebe entsteht und nicht aus Kontrolle. Exklusivität kann wundervoll sein, wenn sie dem tiefen Wunsch nach Verbundenheit, Intimität und bewusst geteilter Nähe entspringt.

Doch entsteht sie aus der Angst heraus (dem Bedürfnis Verlust zu vermeiden, aus der Unsicherheit nicht genug zu sein oder den anderen festhalten zu müssen), dann wird Exklusivität in der Beziehung zur Begrenzung. Sie dient nicht mehr der Liebe, sondern der Kontrolle.  

Stell dir mal vor, du lässt los; du lässt deinen Partner frei und er ist trotzdem (oder gerade deshalb) bei dir. Ist das nicht der größte und schönste Liebesbeweis, den du bekommen kannst? 

Freiheit geht nicht automatisch damit einher, mehrere zu lieben. Freiheit bedeutet vielmehr, bewusst zu wählen. 

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